„Uffizien. Schmidt, vom Eintrittskartenschwarzmarkt-Fall“ bis zu Chiara
Ferragni-Chaos: Porträt eines Pop-Direktors .Ein Artikel der vom Journalisten Maurizio Costanzo geschreiben wurde und am 21. Januar 2021 in der Zeitung La Nazione erschienen ist
Ferragni-Chaos: Porträt eines Pop-Direktors. Florenz, 21. Januar 2021 – Man sollte bedenken, dass, als Eike Schmidt 2015 die Führung der Uffizien übernahm, das historische Florentiner Museum noch nicht einmal eine Website hatte. Heute jedoch ist es in den sozialen Medien vertreten und, vor allem bei den Jüngsten, sehr beliebt.
Durch einen einfachen Klick zu erreichen, haben die Initiativen eine internationale Anhängerschaft in allen Kanälen gefunden, von Instagram über Facebook, von Twitter bis zu TikTok, wo die Galerie sogar das weltweit führende Museum ist.
Das Erfolgsgeheimnis? Schmidt hat es in der Tat bewiesen: Man muss sich nicht unbedingt verstellen, um in den sozialen Medien eine Anhängerschaft zu finden. Die Präsenz auf diesen Kanälen, die von Natur aus Hoch- und Pop-Kulturmischen, hat mehr als einen der Kritiker die Augen verdrehen lassen und trotzdem wachsen die Followers und die rosigsten Vorhersagen werden
ständig übertroffen. Die Anhängerschaft wächst weiter mit „mir gefällt“ und Visualisierungen. Eine Gelegenheit, die durch die modernen Kanäle des neuen Jahrtausends ermöglicht wurde und den Uffizien, auch in der Zeit des Lockdowns, viele Früchte gebracht hat, während die anderen Museen Ausstellungen und Aktivitäten aussetzten und sie auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Galerie der Uffizien gelang es dagegen in allen Teilen der Welt in Kontakt mit ihrem Publikum, alt und neu, jung und neugierig zu bleiben. Und von allen jederzeit und überall gefolgt, hat sie ihre Türen virtuell für die breite Öffentlichkeit geöffnet. Bestimmte Entscheidungen haben, wie Sie wissen, die Kritik nicht gescheut. Es ist unleugbar, dass die Uffizien ‘funktionieren‘, die Jüngeren faszinieren und die Nummer Eins sind. Alles Verdienst der Kunst? Nicht nur das. Auch von frischer und direkter Kommunikation. Und warum nicht, etwas gesunden Humor und Selbstironie, die Schmidt perfekt dosieren konnte. Das Ergebnis? Der Wunsch der Jüngsten, das Museum zu besuchen oder ihm zu folgen, wurde dank eines weniger professoralen, aber sicherlich originellem, Ansatz entzündet. Und auch dank einer Präsenz im Netz, die nicht nur mit der Förderung des Museums zu tun hat, sondern auch mit einem konstanten Kultur- und Identitätsangebot. „Denn Kunst ist Identität“, wie Schmidt mehrfach betonte, und außerdem sind die Uffizien das Herz und die Identität der italienischen Kultur. Sicherlich hat Schmidt nie ein Blatt vor den Mund genommen. Und nun verfolgen wir seine öffentlichen Auftritte, die, wenn nicht gerade
‚Sensationen‘, sicherlich zu Diskussionen führten. Vom ersten Moment seiner Ankunft in Florenz, bis zum letzten (nur in der Reihenfolge der Zeit) Äußerung, die er anlässlich des Besuchs der Bildungsministerin Lucia Azzolina in Florenz hatte.
Mai 2016 „Liebe Besucher der Uffizien: Passt auf eure Portemonnaies auf!“ Gleich nach seinem Amtsantritt wies der neue Direktor Schmidt die Besucher – mit einer Nachricht über Megafon – auf den Schwarzmarkt mit Eintrittskarten und Taschendiebe im Innenhof der Uffizien hin. Eine Warnung, die in Italienisch und Englisch aus den Lautsprechern, die unter der Loggia der Galerie installiert waren, widerhallte. Und da er schon mal dabei war, fügte der Direktor den Informationen folgendes hinzu: „Achten Sie auf die Taschendiebe“. Als ob man sagen würden: Denken Sie daran, dass Sie in Italien sind. Ein Touristen-Retter, der den Nachbarn Palazzo Vecchio sofort verärgerte. Ergebnis? Er wurde von der Stadtpolizei wegen Verstoßes gegen die gemeinderechtlich geregelte Werbung zu einer Geldstrafe verurteilt. Schmidt zahlte 295 Euro, indem er die „Rechnung“ bei der Stadt Florenz bezahlte. „Ich habe aus eigener Tasche bezahlt, ich übernehme die Verantwortung für das, was passiert ist, und es endet hiermit“, sagte er, als er die Bank verließ, nachdem er den Strafzettel bezahlt hatte, gefolgt von einer Schlange von Kameras und Fotografen. „Jetzt werde ich die Übertragung stoppen – sagte er lächelnd – sonst sagen sie mir, ich müsste diese Geldstrafe jeden Tag bezahlen und meine Frau wäre wütend…“. Aber der Kampf gegen den Schwarzmarkt geht weiter, hatte er versichert: der geht weiter. Januar 2018 Liebe Deutsche: Gib uns die „Blumenvase“ ‚zurück! Wir waren bei dem Aufruf „Vorsicht vor dem Schwarzmarkt an den Uffizien“ geblieben. Doch diejenigen, die glaubten, dass der deutsche Direktor sich nur gegen die berüchtigten italienischen Diebstähle stellen würde, hatten sich enorm getäuscht. Pünktlich zwei Jahre später kam das
Dementi. Mit einem unverblümten Appell an sein Deutschland für 2019: „Wir hoffen, dass in diesem Jahr das Gemälde der berühmten Blumenvase des niederländischen Malers Jan van Huysum, welches von Nazisoldaten im Zweiten Weltkrieg gestohlen wurde, und derzeit im Besitz einer deutschen Familie ist, die es trotz zahlreicher Anfragen des italienischen Staates noch nicht an das Museum zurückgegeben hat, endlich an die Uffizien in Florenz zurückgegeben werden kann“. Eine starke und klare Botschaft, die auch symbolisch sichtbar wurde: Eine schwarz-weiße Reproduktion von van Huysums Blumenvasengemälde von Alinari wurde von diesem Tag an im Putti-Saal des Palazzo Pitti ausgestellt, begleitet von Schildern mit den Worten „gestohlen“. All dies in drei Sprachen, Italienisch, Englisch und Deutsch, und einer erklärenden Beschriftung, die daran erinnert, wie das Gemälde von Soldaten der Wehrmacht aus seiner ursprünglichen Position entfernt wurde. Sieg für den Direktor Dr. Schmidt: die fotografische Erinnerung wurde entfernt, als das Original an die Uffizien zurückgegeben wurde.
Mai 2020
Uffizien auf Tik Tok:“Die Kritik? Von den üblichen Anachronisten. So erreichen wir die Jugendlichen im vollen pubertären Aufstand”
Wir sagten: Kapitel Schmidt und Social Media. Die Botschaft des Direktors ist laut und deutlich: „Sie funktionieren, um sich auf den Besuch vorzubereiten, während des Besuchs vor den Werken zu verwenden oder später zu vertiefen. Sie sind keine Alternativen oder zwei verschiedene Welten, aber das eine sollte das andere ergänzen.“ Virtuelle Nutzung? Kein Problem, wenn es dazu dient, den jungen Menschen die Welt der Kunst näherzubringen. Auch die Eröffnung auf TikTok wurde hart
kritisiert. Und wieder antwortete der Direktor nicht hinter vorgehaltener Hand: „Aber es gibt immer die üblichen Anachronisten, die nicht akzeptieren wollen, dass die Welt durch die neuen Technologien fortschreitet, und die ihre Einkommenspositionen untergraben sehen! Technik und Tradition sind nicht widersprüchlich, und von hier aus erreichen wir die schwierigste Gruppe: Teenager in voller pubertärer
Rebellion.
Juli 2020
„Chiara Ferragni als Venus von Botticelli“
Stars machen das Museum sichtbar. Und Direktor Schmidt, der die
Medienmechanismen sehr gut versteht, lässt es sich nicht nehmen, die
VIPs jedes Mal persönlich zu begrüßen und sie in den Sälen des Museums
zu führen. Von Russell Crowe bis Elton John, von Kylie Minogue bis
Nicole Kidman. Doch als Chiara Ferragni, die unumstrittene Königin
der sozialen Medien, die Schwelle der Galerie überschreitet, entsteht eine
weitere Kontroverse. Tatsächlich ist es eine echte virtuelle Schlägerei, die
um die internationale Influencerin entfesselt wurde, die jedes Produkt, das
sie berührt, in Gold verwandelt: und tatsächlich brachte sie blitzschnell das
Wort „Uffizi“ in Trendthemen. Alles begann mit einem Instagram-Post, in
dem Sandro Botticellis Venus und Chiara Ferragni auf einem Foto
gegenübergestellt wurden. Anlass war Ferragnis Besuch in den Uffizien
zusammen mit Direktor Eike Schmidt. „Ästhetische Kriterien ändern sich
im Laufe der Jahrhunderte – liest man in der Erklärung – Das weibliche
Ideal der Frau mit blonden Haaren und Porzellanhaut ist ein typisches
Ideal der Mode der Renaissance. Dies wurde von Sandro Botticelli
meisterhaft in seinem Gemälde die Geburt der Venus ausgedrückt.
Das Gesicht, das wahrscheinlich mit dem der schönen Simonetta Vespucci
,seiner Zeitgenossin, identifiziert wurde. Nun verkörpert die in Cremona
geborene Italienerin Chiara Ferragni einen Mythos für Millionen von
Anhängern – eine Art zeitgenössische Gottheit im sozialen Zeitalter – Der
Mythos von Chiara Ferragni, der zwischen erbitterten Kritikern und
furchtlosen Anhängern geteilt ist, ist ein soziologisches Phänomen, das
Millionen von Anhängern auf der ganzen Welt versammelt und eine
Momentaufnahme unserer Zeit fotografiert.“ Um Himmels Willen.
Unterstützer und Kritiker der Influencerin, die Millionen von Anhängern
auf der ganzen Welt hat, tobten: „Wie erlaubt man sich, ein Werk wie
Botticellis Venus mit einer Influencerin zu vergleichen?“, ist die
Bedeutung einiger der Tausenden von Kommentaren in dem Beitrag.
„Beruhigt Euch, aber warum all dieser Hass“, ”erwidern die Anhänger von
Ferragni.. Eines der Ziele wurde jedoch erreicht: Die Uffizien nicht nur in
den sozialen Medien wieder in den Vordergrund zu rücken, wo sie
buchstäblich die Runde machten. Aber viele junge Menschen haben
wirklich das Museums besucht: auf den Spuren der schönen Chiara
Ferragni.
Dezember 2020
Die Pop Krippe: Lucio Dalla als Joseph und Gigliola Cinquetti als
Madonna
Auch Weihnachten in den Uffizien sorgt für Überraschungen. Im Covid 19
Jahr der geschlossenen Museen verzichtete die Galerie nicht auf die
Krippe. So weit nichts Schlimmes. Doch wenn es im Schmidt-Zeitalter
eine Krippe sein muss, sind auch Joseph und Maria nur eine Erinnerung.
Die Galerie beherbergte die Installation von Marco Lodola mit
hinterleuchteten Figuren mit dem Titel „Geburt. Leuchtende Krippe“, die
während der ganzen Weihnachtszeit von den Lungarni, dem Ponte
Vecchio und dem Museumsplatz aus zu sehen war. Im Mittelpunkt der
Inszenierung stand die Popmusik, insbesondere die italienische Musik und
in der Rolle der Protagonisten der Krippe waren
viele Stars der italienischen und ausländischen Musik zu sehen. Unter
denen, die in der Pop-Krippe landeten, waren, um nur einige zu nennen:
Freddie Mercury, David Bowie, Louis Armstrong, aber vor allem lokale
Künstler wie Luciano Pavarotti, Rino Gaetano, Mina, Renzo Arbore, Rita
Pavone, Max Pezzali, Caterina Caselli. Die Fenster der Uffizien
verwandelten sich daher in die Kulisse einer großen, weitverbreiteten
Krippe der Pop-Art. Und anstelle von Maria und Joseph ? Lucio Dalla bzw. Gigliola Cinquetti. Lodola erklärte dann, dass er die Installation nach einer Überlegung über den „Leidenszustand, den wir heute leben“ konzipiert habe.
21. Januar 2021
„Blau machen? Dann kommt in die Uffizien!“ Und während die Schulen gerade wieder geöffnet haben, trotz tausender Schwierigkeiten und Opfer nach dem Zwangsstopp wegen der Sperrung dank Covid 19, richtete Schmidt scherzhaft und auf seine Weise eine besondere Einladung an junge Menschen: „An Jugendliche bis 18 Jahre, die freien Eintritt haben: Wenn Ihr wirklich blau machen wollt, kommt zu uns hier ins Museum. Hier gibt es auf jeden Fall viel zu lernen. Dasselbe gilt für die Boboli Gärten, dem traditionellen Ort der Florentiner um die Schule zu schwänzen. Dies ist nicht nur ein schöner Ort, es ist auch ein Ort des Wissens und der Identität“. Eine Erklärung, die im Rahmen eines besonderen Tages kam: die des Besuchs der Bildungsministerin Lucia Azzolina in Florenz, wo sie verschiedene Zwischenstopps einlegte. Einschließlich in den Uffizien: genau dort, wo die Kinder ab morgen die Schule besuchen konnten, indem sie „die Schule schwänzen“. Maurizio Costanzo; Übersetzung: Angelika Florenzstadtführung
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